Ein Pferdebesuch im Seniorenheim

Der Besuch von einem Tier ist eine angenehme Abwechslung im Heimalltag. Er bringt viel Freude und hiflt den Menschen in vielerlei Hinsicht:

 

Unterstützung und Erhaltung körperlicher und geistiger Mobilität

 

Tiere besitzen einen natürlichen Aufforderungscharakter, der viele Bewohner eines Seniorenheimes dazu veranlasst, sowohl körperlich als auch geistig aktiv zu werden. Sei es beispielsweise durch das Streicheln des Tieres oder durch die geistige Beschäftigung mit dem Tier und seinen Bedürfnissen, im Sinne einer Aktivierung von Reflexionsprozessen.

 

Ueberwindung sozialer Isolation / Erhöhung der Kontakt und Kommunikationsbereitschaft

 

Die Heimbewohner können sich sowohl untereinander als auch mit Besuchern, Aerzten und Pflegepersonal über den Tierbesuch austauschen. Es ist ein unverbindliches Thema über das jeder gerne zu sprechen scheint - selbst in der Abwesenheit des Pferdes. Der "Effekt eines Tieres als "soziales Gleitmittel" spielt in geriatrischen und psychiatrischen Therapien eine zunehmend wichtige Rolle.

 

Strukturierung und teilweise Ritualisierung des Tagesablaufes

 

Bei regelmässigen Tierbesuchen und je nach der Art der Beziehung bzw. der Interaktion zwischen älteren Menschen und dem Tier können Rituale entstehen, die zusätzliche Sicherheit, Freude, Kompetenzgefühle sowie den Eindruck selbstverständlichen Eingebundenseins vermitteln.

 

Stärkung des Selbstwertgefühls

 

Viele alte Menschen fühlen sich unattraktiv, nicht mehr liebenswert, inkompetent und nutzlos. Der mehr oder weniger rasche Abbau körperlicher und geistiger Kräfte und Funktionen bringt neben Akzeptanzproblemen häufig auch schwerwiegende Identitätskrisen mit sich. Es entsteht unter Umständen der Eindruck, man sei nicht mehr der "wertvolle" Mensch, der man in jüngeren Jahren war. Der Umgang mit Tieren vermittelt den Menschen die Erfahrung geschätzt zu sein. Für Tiere spielt es keine Rolle, wie der Mensch aussieht, ob er geistig leistungsfähig ist, wie er sich bewegt, welche Einschränkungen er hat. Sie haben weder Vorbehalte noch Berührungsängste. Im Gegensatz zu Menschen, die aufgrund der unangenehmen Erkenntnis, selbst älter zu werden, häufig Unbehagen oder Mitleid ausstrahlen, sind Tiere natürlich auf das Hier und Jetzt bezogen und vermitteln den Bewohnern so (wieder) ein Gefühl von Angenommensein, unabhängig von deren körperlich-geistig-seelischer Verfassung. Tiere ermöglichen einen Zugang zum individuellen Unbewussten.

 

Ermöglichung von Nähe, Körperkontakt und Intimität im weitesten Sinne

 

Unter Menschen gelten spontane Berührungen in der Regel als unhöflich, aufdringlich und/oder grenzüberschreitend. In einigen Ländern ist eine Umarmung und ein "Küsschen" auf die Wange zwar Teil der Begrüssung /Verabschiedung, aber auch diese Körperkontakte entsprechen im Grunde genommen dem förmlichen Handschlag in der Schweiz und haben nichts mit Intimität oder ehrlichem, gewollten Körperkontakt zu tun. In der Regel lernen bereits kleine Kinder, eine gewisse Individualdistanz, vor allem zu erwachsenen Personen, einzuhalten. Das archaische Bedürfnis nach Körperkontakt, nach Berührung und Nähe, welches der Mensch naturgemäss in sich trägt, bleibt dadurch jedoch in unserer zivilisierten und immer stärker technisierten Welt weithin unbefriedigt. Im Zusammensein mit Tieren ist das anders. Durch sie können die Menschen ihre Bedürfnisse nach Körperkontakt, Berührung und Nähe befriedigen. Sie können die Tiere streicheln und liebkosen (selbstverständlich immer unter Einhaltung der Hygienebedingungen und auch unter Berücksichtigung der tierischen Eigenarten) ohne Angst haben zu müssen, damit einen Verhaltenskodex zu brechen. Das Tier kann also gegebenenfalls fehlende menschliche Nähe ersetzen und helfen, die im Menschen tief verwurzelten Bedürfnisse nach Körperkontakt und Berührung zu stillen.

 

Stressdeduktion / Entspannung

 

"Inzwischen weiss man, dass die blosse Präsenz eines Tieres blutsrucksenkende und damit Stress reduzierende Wirkungen hat". Das heisst, sie bewirken eine Beruhigung und Entspannung bei ihrem menschlichen Gegenüber. Insofern können Tiere auch bewusst eingesetzt werden, um genau diese Effekte zu erreichen. Indem die Aufmerksamkeit während des Streichelns zum Beispiel gezielt auf den warmen Körper, das weiche Fell und die ruhige und gleichmässige Atmung des Tieres gerichtet wird, wird sich auch der eigene Körper nach und nach entspannen, die Ruhe des Tieres wird quasi auf den Menschen übertragen.

 

Anregen der Erinnerung / Verbesserung der Gedächtnisleistung

 

Tiere können älteren / alten Menschen helfen, ihr Gedächtnis und ihre Erinnerungen (besser) zu nutzen. Haben sie beispielswiese während ihrer Kindheit bzw. in früheren Jahren selbst ein Tier besessen oder positive Erfahrungen und Erlebnisse mit Tieren gemacht, könnte der Kontakt mit einem Tier diese Erinnerungen und die damit verbundenen angenehmen Gefühle wieder in ihr Gedächtnis zurückrufen. Oft reicht es jedoch bereits, dass die an einem Tierbesuch teilnehmenden Bewohner die davor liegenden Interaktionen mit dem Tier im Gedächtnis behalten und ihre Erinnerungen, zum Beispiel vor einem anstehenden Besuch, eventuell sogar untereinander austauschen. Das Tier selbst muss nicht unbedingt anwesend sein, um angenehme Gefühle in den Menschen hervorzurufen und gleichzeitig ihre Gedächtnisfunktion zu trainieren. Es steht inzwischen ausser Frage, dass "Erinnerung ein wichtiges Werkzeug zur erfolgreichen Anpassung an das Alter darstellt".

 

 

 

Quelle: Tiergestützte Intervention von Monika A. Vernooij und Silke Schneider

Bilder: N. Zwahlen